Wissenswertes und Geschichte Gasthaus zum Kreuz
Das im KSI denkmalgeschützte «Kreuz» in Seewen ist um 1653 als verputzter Fachwerkbau erstellt worden. Die Liegenschaft weist zwar keine aussergewöhnliche Ausstattung auf wie ein Herrenhaus, kann aber durchaus mit einigen exklusiven Besonderheiten und Schönheiten punkten!
Das ganze Gebäude umfasst eine Grundfläche von 45.85m Länge und 10.60m Breite.
Das riesige Dach mitsamt Schleppgauben hat eine Ausdehnung von 510m2 und ist mit alten Biberschwanzziegeln bestückt. Einzelne Fundstücke sind mit 1806 datiert.
Das Haus wurde als Bürgerhaus erstellt und besteht bis in den dritten Stock aus einem hölzernen Riegelwerk. Für den Bau wurden vorwiegend Eiche, Tanne und Fichte verbaut. Qualitativ gute Hölzer wurden bei früheren Umbauten nicht entsorgt, sondern wiederverwendet. Bei der Entkernung kamen angekohlte Balken zum Vorschein, welche vielleicht von einem anderen Haus stammten. Dieses war wohl kaum abgebrannt, wahrscheinlich gab es dort Rauchwände und somit auch stark verrauchte Deckenbalken. Eine angekohlte Rauchwand kam auch im «Sääli» hinter einem Ofen zum Vorschein. Vermutlich befand sich an diesem Ort eine offene Feuerstelle. Der grüne Ofen im Restaurant mit den schön verzierten Kacheln ist ein echter Hingucker und steht seit einer Ewigkeit im Kreuz.
Um 1780 wurden im Restaurant und Sääli die kostbaren Barock-Buffets mit geschweiften Fronten und Schubladen eingebaut. Das aufwendige Schnitzwerk an den Rückwänden weist bereits auf die Louis XVI Zeit hin. Die Buffets wurden mit «Giessfässern» bestückt, wo sich der Herr des Hauses die Hände wusch, bevor er sich an den Tisch setzte. Hinter seinem Rücken «sudelten» bestimmt auch die Kinder mit den verlockenden «Giesshähnchen», jedenfalls wurden die Buffets durch austretendes Wasser beschädigt. Das alte Zinn-Giessfass mit dem Fisch im Sääli erinnert an diese Zeit.
Das Obergeschoss ist ebenfalls geschmackvoll ausgestattet. So gibt es elegante Decken Stuckaturen sowie markante, bei der Restauration vom Gipsverputz befreite sichtbare Kreuzriegel. Die Wandverkleidungen in den Zimmern mit Füllungen und Rahmen aus Fichtenholz präsentieren sich nun wieder in einem hübschen Naturton, nachdem sie restauriert und diverse Farbschichten abgelaugt wurden. Die bestehenden historischen Zimmertüren mit den profilierten Türrahmen sind ebenfalls noch Originale. Verdeckt unter vier darüber liegenden Böden fanden sich noch die Original-Kassettenböden mit Nussbaumrahmen und Fichtenfüllungen. Sie wurden, wie die Buffets und Wandverkleidungen, demontiert, sorgsam restauriert und wieder am gleichen Ort verbaut.
Im UG waren noch vereinzelte, ca. 200 jährige Bodenplatten aus Ton vorhanden. Diese zieren heute den Weinkeller. Sehr beeindruckend sind die dicken Mauern im Keller. Die vermeintlich dickste Mauer an der Bachseite entpuppte sich bei der Sanierung als optische Täuschung. Ursprünglich wurde diese Mauer im sogenannten «Gotthard Baustil» mit auskragenden Holzbalken erstellt. Das darüber liegende Restaurant verfügte dadurch über etwas mehr Platz. Die aufsteigende Feuchtigkeit des Baches beschädigte jedoch die Balken und wusch den Kalk aus den Mauern. Wohl deshalb wurden früher einzelne Balken entfernt und die Aussenmauer mit einer dünnen Mauer aufgedoppelt, wobei man einen Hohlraum beliess. Diese Konstruktion führte, zusammen mit einem Wasserschaden im Küchenbereich, zu grossen statischen Problemen im Hauptgebäude.
Das Eindrücklichste im ganzen Gebäude ist sicherlich der «Liegende Dachstuhl» mit seiner beachtlichen Grösse. Welch herrliche Zimmermannskunst! Das Satteldach mit Krüppelwalm ist freitragend und hat auf der gesamten Länge keinerlei Stützpfosten. Bei der Restaurierung wurden die alten Balken und Verbinder von Hand gebürstet und mit Trockeneis vom Staub befreit.
Pfetten halten die zahlreichen Dachsparren zusammen, wobei interessanterweise keine tragenden Firstpfetten vorhanden sind. Die sichtbaren Bundbalken und Kopfbänder sind fast alle mit dem Beil gehauen. Diejenigen im hinteren (neueren) Hausteil haben sogar dekorative, von Hand geschnitzte wellenförmige Verzierungen.
Ursprünglich führte eine Brücke vom Urmiberg her mitten durch das Haus. Die «Urmibergler» samt Ziegen kamen dadurch trockenen Fusses über die «Seewern»:
Die Brücke wurde zwischenzeitlich weiter nach Süden verschoben und an der Stelle die Toiletten eingebaut. Geblieben ist die wunderbare Hauseingangstüre mit dem attraktiv profilierten Rahmen. Der Türklopfer aus der Zeit um 1700 sowie die Risse und Holzwurmlöcher im Türrahmen erzählen ihre eigene Geschichte.
Besitzer, Bewohner und ihre Tätigkeiten
Die Liegenschaft «Kreuz» befindet sich an der ursprünglichen Gotthardstrasse. In den angrenzenden Stallungen wurden bis zur Eröffnung der Gotthardbahn (1882) die Kutschenpferde gewechselt und eingestallt. Die Gäste genossen Speis und Trank und eine einfache Unterkunft im Hauptgebäude.
Wahrscheinlich hat die Besitzerfamilie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen grösseren Hausumbau vorgenommen. Die Stallungen samt Heustock wurden direkt ans vorher alleinstehende Hauptgebäude angebaut. Man hat sich auch nicht davor gescheut, tragende Wände zu entfernen, um auf jeder Etage eine Verbindung zwischen Wohn- und Stalltrakt zu schaffen, was die Statik des nun sehr grossen Gebäudes wegen des nicht optimalen Baugrundes in Mitleidenschaft gezogen hat.
Um 1700 wurde aus Seewen ein Kurort und das «Kreuz» erlebte eine Hochblüte. Die Wirkungen von Trink- und Badekuren mit dem Wasser der Heilquellen und des Lauerzersees waren weitherum bekannt. Auch die nächste Generation blieb vermutlich mit Sohn und Tochter im «Kreuz»:
Ab 1806 verliert sich die Spur der jeweiligen Hausbesitzer, bis die Liegenschaft 1910 durch einen Zwangsverkauf in den Familienbesitz der jetzigen Eigentümer gelangte. Die Urgrosseltern Karl und Katharina Schuler-Kälin stammten mit ihren 3 Töchtern und 2 Söhnen vom Bauernhof «Schornen» in Steinen. Das «Kreuz» war damals in keinem ansehnlichen Zustand. Als die Eltern kurz hintereinander starben, übernahmen die Töchter den Betrieb. Mit Anton Frey, der 1933 eine der Töchter heiratete, kam Wende ins «Kreuz». Im «Sääli», wo die Familie früher wohnte, richtete Anton eine Schneiderei und Hutmacherei ein. Mit der «Haute Couture» konnte endlich Geld erwirtschaftet werden, um das Haus ein bisschen zurecht zu machen. Antons grosse Leidenschaft war die Volksmusik. Als begeisterter Handörgeler führte er Ländlerkonzerte mit Tanzgelegenheit im «Kreuz» durch:
Bis in die 1955er Jahre existierte auch ein lauschiger Garten mit einer Kegelbahn neben dem Gasthaus, umrahmt von prächtigen Kastanienbäumen, welche später der Strasse und den heutigen Parkplätzen weichen mussten.
Anton Frey-Schuler war auch ein leidenschaftlicher Ornithologe. In den Kriegsjahren begann er mit der Zucht von Militärbrieftauben und Kanarienvögeln, die in kleinen Kämmerchen oben im Dachgiebel gehalten wurden.
Ab 1966 führte dann Sohn Toni Frey Junior mit seiner Familie den Gastbetrieb und lancierte die beliebten Poulets im Körbli. Toni hatte ein besonderes Flair für Saucen. Zusammen mit Sternekoch Renè Hochstrasser, der mit ihm ebenfalls im Kreuz aufgewachsen war, tüftelten sie an einer feinen Spezialsauce, welche die Poulets im Körbli perfekt ergänzte.
Danach pachtete Peter Rickenbacher den Betrieb. 2019 kündigte er die Pacht und das «Kreuz» versank in einen Dornröschenschlaf.
Seitdem die Liegenschaft 1910 in den Familienbesitz kam, wurde sie stets an die Töchter weitergereicht. So gelangte die 4. Generation zur Liegenschaft «Kreuz» und festigte mit der aufwendigen Kernsanierung 2024/2025 den Erhalt des historischen Gasthauses in die Zukunft.
Schon immer war im «Kreuz» auch Kleingewerbe untergebracht. Sogar die Poststation Seewen wurde im Haus einquartiert. 1851 errichtete man im Keller eine Bierbrauerei (deswegen fehlt vermutlich auch ein grosser Teil der Stützmauer im Keller).
Die kinderreiche Familie Litschi betrieb eine Schuhmacherei im Haus:
Ab den 60er Jahren eröffnete Anton Freys Schwager, Franz Schuler, im ehemaligen Stalltrakt eine Sattlerei und stellte u.a. Pferdegeschirre und Sättel her. Das Handwerk von «Chrüüz»-Franz war weitherum bekannt. Mit Sicheln und Stanzwerkzeugen, «Gamsbärten» und farbigen Zierstreifen fertigte er prächtige Glockenriemen aus Leder an. Auch der Geruch von entstaubtem Rosshaar für die Herstellung feiner Matratzen schwebte in der Luft. Maria Schuler, seine Schwester, führte im hinteren Teil des Hauses den ersten «Konsum» der Region (heute Coop).
Mehrmals erfuhr die Liegenschaft einen grösseren Umbau: der ehemalige Heustock über den Stallungen wurde zu Kammern unterteilt, die Wohnungen oberhalb des Restaurants wurden zu Zimmern mit Fliesswasser und Etagentoilette umfunktioniert. Sie boten dem Wirt, dem Personal, den Militaristen und später Hotelgästen einfachen Komfort. Bei der umfassenden Restaurierung der Liegenschaft 2024/2025 wurden diese ehemaligen Hotel- und Personalzimmer wieder rückgebaut zu zwei Wohnungen, wie es vor den 1940er Jahren war. Da der Dachstuhl nicht mehr zum Trocknen der Hotelwäsche benötigt wurde, konnten auch da zwei kleine Wohnungen eingebaut werden. Die wunderschönen, mehrheitlich von Hand geschlagenen und von Staub befreiten Sichtbalken bewahren das Andenken an die vergangene Zeit und geben dem Haus wieder seine ursprüngliche Würde zurück.
Bei der Sanierung kamen auch verborgene Türchen und Durchgänge sowie kleine Fundstücke zum Vorschein und bergen viele Rätsel: waren hier Dienstboten, Pferdeknechte oder Gäste einquartiert? Wer hat den Österreichischen Krontaler aus dem Jahr 1796 im Zwischenboden des Buffets versteckt? War das noble Empire Teeservice aus Zinn (1780) in der Buffetvitrine ein Geschenk von Hotelgästen? Was haben die zwei winzigen geheimnisvollen 2cm-Päckchen zu bedeuten, welche seit Jahrhunderten unter einer der vier übereinander liegenden Türschwellen schlummerten? Warum wurden alte Zeitungen konsequent verkehrt herum an die Wände tapeziert? Wie kamen die Schulhefte von 1943, das versiegelte Couvert und die fein ziselierte Fahrradklingel in ein Loch unter dem Holzboden? Wir überlassen diese Geheimnisse der Phantasie des Lesers. Ein Geheimnis ist dem Glauben der Bewohner um 1780 zuzuschreiben: die im «Sääli» Buffet verborgene Bibel und Fläschchen mit Weihwasser haben das «Kreuz» vermutlich über Jahrhunderte vor Feuer und Hochwasser beschützt, so dass es mit seiner Einzigartigkeit hoffentlich auch kommende Generationen erfreuen wird.